Die ersten verbürgten Nachrichten über erweckliches Leben in Weidenhausen sind in einem Schreiben enthalten, das Dekan Decher aus Gladenbach am 24. Februar 1843 an den Kreisrat in Biedenkopf sandte. Dort heißt es, dass sich auch in Weidenhausen gelegentlich Erweckte bei Peter Ruppert trafen. Weitere Zeugnisse oder Überlieferungen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die möglicherweise für das Entstehen unserer Gemeinde in Betracht kommen könnten, liegen uns nicht vor. Es ist auch nicht bekannt, ob in diesen Jahren ein ständiger Gemeinschaftskreis oder eine Abendmahlsgemeinschaft vorhanden war.

Der erste Gemeinschaftskreis entsteht

Die Neukirchener Mission schickte im Jahre 1882 den Missionszögling Gustav Klein zur Betreuung der Gemeinschaftskreise ins Hin­terland. Er wohnte damals in Runzhausen im Haus Immel. Von dort kam er nach Weidenhau­sen, machte Hausbesuche, sammelte die Gläubigen und hielt die ersten Versammlun­gen im Hause einer Familie Rentsch (heute Metzgerei Schmidt) im Hause Burk (Römers­häuser Straße) und im Hause Wege (Lutze). Es ist überliefert, dass die Versammlungen damals oft gestört wurden. Bruder Klein musste sich einmal nach einer Versammlung durch den Garten entfernen, um Steinwürfen zu entge­hen.
Gustav Klein, der in großem Segen in den Gemeinschaftskreisen im Hinterland gewirkt hatte, verzog 1893 nach Hamm in Westfalen. Zehn Jahre nach seinem Weggang (1903) bil­dete sich in Weidenhausen ein kleiner Gemein­schaftskreis mit regelmäßigen Versammlun­gen. Der Kreis wurde gegründet von der Ehe­frau des Bahnhofsvorstehers Klein, von Frau Christine Schubert (Mutter von Georg Schu­bert d. Ä.) sowie von Wilhelm Hinder und Frau.
Seit 1903 kamen Brüder vom Herborn- Dillenburger Gemeinschaftspflege-und Erzie­hungsverein, auch Reisepredigerverein ge­nannt, nach Weidenhausen und betreuten den kleinen Kreis. Sie hielten ihre Versammlungen im Hause Johannes Premer, Petersburg (Haus Meurer). Der erste Reiseprediger war ein Bru­der mit Namen Jahn. Es versammelten sich zu dieser Zeit etwa acht bis zehn Personen. Die Geschwister hatten damals viel Spott und Hohn um Christi willen zu ertragen.
Als das Zimmer im Hause Premer für die Versammlungen zu klein wurde, kamen die Gläubigen im Hause Christine Schubert zu­sammen. Wilhelm Hinder baute 1906 ein Haus in der Bergstraße (abgebrochen 1979). In die­sem Haus versammelte sich der Kreis ebenfalls einige Zeit.
Die Brüder des Reisepredigervereins konn­ten nicht regelmäßig Versammlungen halten, deshalb nahm Johannes Premer Verbindung auf mit der Pilgermission St. Chrischona (Stadtmission Marburg). Von ihr kam zunächst Stadtmissionar Böhler, später die Brüder Herr­mann und Martin, Kreutzkamp, der auch Blaukreuzler war, und Wittlinger. Die Versammlun­gen fanden jetzt im Hause Johannes Premer, Bergstraße, statt. Er hatte sein Wohnhaus Pe­tersburg inzwischen veräußert.

Zeiten der Erweckung

Es folgte dann eine segensreiche Zeit. Die Jahre von 1908—1913 waren Erweckungsjahre. Eine Anzahl gestandener Männer aus der Welt und viele Frauen bekehrten sich zu Chri­stus. 1908 kamen u. a. Georg Schubert d. Ä. sowie Philipp und Heinrich Speitel zum Glau­ben. Der spätere Gemeindeälteste Johannes Ullrich — er war Ältester bis zu seinem Heim­gang im Jahre 1955 — kam durch das Lesen einer Predigt des Theologen und Pfarrers Lud­wig Hofacker zum lebendigen Glauben an Je­sus Christus und hielt sich dann zu den Gläubi­gen. Er prägte die Gemeinde durch seinen Dienst, den er treu durch Jahrzehnte tat. — Bruder Ludwig Müller versah für zwei weitere Jahre die Aufgabe des Gemeindeältesten.
In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhun­derts lebte in Weidenhausen Johann Peter Ruppert (Kätches Petter). Bruder Ruppert hatte viel Schmach um Christi willen ertragen, weil er sich in seinem Leben zu ihm bekannte.

 

Brüder der Gründergeneration: Vordere Reihe von links nach rechts: Heinrich Thomas, Georg Schubert, Heinrich Debus.                                                                          Obere Reihe von links nach rechts: Peter Müller, Ludwig Müller, Hermann Schmidt, Johannes Ullrich (1952).

Je­den Sonntag ging er zu den Versammlungen eines Gemeinschaftskreises nach Endbach. Dort war er bekannt als ein treuer Beter für seinen Heimatort Weidenhausen. Mit ihm gin­gen die Brüder Speitel, H. Platt und Frau Mar­garetha Scheid geb. Seipp.

Die Erweckung in Weidenhausen mag mit den Gebeten dieses Bruders im Zusammen­hang stehen. Bruder Ruppert wurde 75 Jahre alt und ging am 29. Mai 1910 heim. Seine Beer­digung fand am 1. Juni in außerkirchlichem Rahmen statt und wurde durch den Neukirchener Boten Prediger Paul Heck, Frankenbach, ausgerichtet. Ortspolizei und kirchliche Obrig­keit gestatteten keine Predigt auf dem Fried­hof. Statt am Grabe predigte Paul Heck auf dem Hof des Verstorbenen. Der Chor aus Runzhausen sang bei der Begräbnisfeier.
In den Jahren 1910 bis 1912 evangelisierte die Gemeinschaft. Prediger Jakob Müller aus Wommelshausen (Pilgermission St.Chrischo- na) war der Evangelist. Es kamen zum Glauben Heinrich Thomas, Eheleute Müller (Christ's), Philipp Mann, Johann Jost Scheid, Heinrich Debus, Frau Koch (Zwirts), Gretchen Schnei­der, Frau Blöcher, Frau Pitz (Buchenauer), Frau Margarete Scheid (Leumanns) und Frau Elisabeth Müller.

Das erste Gemeindehaus

Der Kreis der Gläubigen wuchs. In den Jahre 1910 bis 1912 versammelte sich der Gemein­schaftskreis zu Evangelisationen im Hause Johann Jost Premer (Schäfers) in der Hauptstra­ße. Dort befand sich auch die Unterstufe der Dorfschule, die sog. Kleine Schule.
In den Häusern der Gläubigen gab es bald nicht mehr genug Raum für die Versammlun­gen und Evangelisationsveranstaltungen. Im Sommer 1913 befassten sich deswegen die Brüder mit dem Kauf eines Bauplatzes für ein Gemeindehaus.
 

Das alte Gemeindehaus Mühlstraße nach seiner Erstel­lung 1913

Es entstanden mancherlei Schwierigkeiten. Wer unter den Grundeigen­tümern des Dorfes wollte schon einen Bau­platz für ein Vereinshaus verkaufen! Man kam zu keinem Entschluss.
Die Geschwister versammelten sich dann eines Sonntagsabends zu einer besonderen Gebetstunde, um einen Bauplatz vom Herrn zu erbitten. In wunderbarer Weise bekannte sich der Herr zum Gebet seiner Kinder. Schon am Tage darauf wurde der Bauplatz in der Mühl­straße 32 gekauft. Der spätere Bürgermeister Peter Lötz (Weissbinders), der sich zu dieser Zeit zur Gemeinde hielt, hatte ihn veräußert.
Noch im gleichen Jahr wurde der Rohbau eines stattlichen Fachwerkhauses errichtet. Die Weihnachtsfeier der Sonntagschule fand im Jahr 1913 im neuen Gemeindesaal statt. Die Fenster und Türen des unfertigen Gebäudes waren notdürftig mit Bretterverschlägen abge­dichtet. Bei der Einweihungsfeier im Jahre 1913 sang der Chor der Gemeinde Endbach.
Im Jahre 1914 wurde im neuen Haus eine Evangelisation durchgeführt. Redner war Pre­diger Kreutzkamp von der St. Chrischona-Gesellschaft. Zum Glauben kamen: Adolf Schubert, Maria Pitz, Maria Thomas, Maria Platt u. a.
Es ist überliefert, dass die kleine, durch den Krieg dezimierte Gemeinde im Jahre 1915 erstmals im neuen Gemeindehaus das Herrnmahl feierte. Es nahmen teil: die Brüder Ullrich, Mann und Schubert sowie die Schwestern Schubert, Thomas und Müller.
Das Gemeindehaus in der Mühlstraße war lange Jahre Heimstatt der Gemeinde. Viele Menschen aus der Gemeinde, Freunde und Gäste hörten hier das Wort Gottes, verkündigt von Predigern und Laien. Hier war das einfa­che und bescheidene, auch das vollmächtige Zeugnis zu vernehmen. Manche Erinnerung verbindet sich mit diesem Haus.

Vom Gemeinschaftskreis
zur Freien evangelischen Gemeinde

Bis zum Jahre 1918 bediente der Vereinsbote Herrmann von der Pilgermission den Gemein­schaftskreis in Weidenhausen. Danach übernahm diese Aufgabe der Vereinsbote Stabe. Die Brüder der Gesellschaft für Evangelisation und Gemeinschaftspflege (Pilgermission) ha­ben sich um die geistliche und formale Festi­gung des Gemeinschaftskreises von 1902 bis nach dem Ersten Weltkrieg verdient gemacht.
Nach dem Krieg kam es zu einem Ringen um grundsätzliche Positionen. Das Innenverhält­nis zur Chrischona-Gesellschaft wurde über­dacht. Die Gläubigen wünschten, im Gegen­satz zu den Vereinsboten der Pilgermission, die Trennung von der Landeskirche, weil ihnen bestimmte geistliche und sakrale Standpunkte unvereinbar schienen. In dieser Auseinander­setzung gab es Einzelpersonen und ganze Fa­milien, die den kirchlichen Status entspre­chend Lehre und Gemeinschaftsform der Chrischona-Gesellschaft beibehalten wollten. Die Möglichkeit einer Spaltung der Gemein­schaft in Weidenhausen war zeitweilig nicht auszuschließen.
Seit 1919 hielt Prediger Hermann Schürenberg d.Ä. an jedem 1. und 3. Sonntag im Monat nachmittags Versammlungen im Gemeinde­haus in der Mühlstraße. Er wohnte in Endbach. Über ihn und die Prediger, die in Weidenhau­sen im Laufe der Jahre mit dem Wort dienten, wird in der Gebietsgeschichte berichtet.
Prediger Schürenberg hatte die Gemein­schaft mit den Grundsätzen der Freien evange­lischen Gemeinden vertraut gemacht. Nun setzten sich die leitenden Brüder der Gemeinschaft und Prediger Schürenberg mit dem Ver­einsboten Stabe über die geistlichen und ver­mögensrechtlichen Fragen auseinander. Her­mann Schürenberg ist es zu verdanken, dass eine Einigung zustande kam und eine Tren­nung in ein kirchliches und freikirchliches La­ger vermieden wurde. Vor allem der Vereinsbo­te Stabe wollte die Niederlassung der Chrischona-Gesellschaft in Weidenhausen kei­nesfalls aufgeben. Er drohte an, sich im Ge­meindehaus Mühlstraße 32 eine Schlafstelle einzurichten. Vorsteher Zantop von der Chrischona-Gesellschaft rechtfertigte bald da­nach die Haltung der Gemeinschaftsleute. Die Chrischona-Gesellschaft erhob später An­spruch auf das Gemeindevermögen (Gemein­dehaus 1913) und wurde finanziell abgefun­den.
Im Jahre 1921 trat die Gemeinschaft dem Bund Freier evangelischer Gemeinden bei. Im gleichen Jahr sind in der politischen Gemein­de Weidenhausen 18 Kirchenaustritte regi­striert worden.

Die Gemeinde weitet sich aus

Die erste Evangelisation führte die junge Freie evangelische Gemeinde Weidenhausen 1923 mit Prediger Möller durch. Im Jahr darauf kam es in Weidenhausen nochmals zu 39 Kirchen­austritten. Die Gemeinde zählte im Jahre 1927 66 Gemeindemitglieder. In den zwanziger und dreißiger Jahren bildeten die jährlichen Freiversammlungen einen Höhepunkt im Ge­meindeleben. Sie fanden im Garten statt, zu­nächst bei Peter Müller (Christ's) und ab 1927 bei Johannes Ullrich. Unter anderen dienten dort die Prediger Wilhelm Burghoff, Adolf und Fritz Kaiser, Rudolf Ahrens und Reinhold Hoof. Dabei erinnert man sich auch an Gast­chöre, zum Beispiel aus Solingen-Wald, Lü­denscheid, Schalksmühle und Siegen. Selbst das Landesverbandsfest des Christlichen Sän­gerbundes wurde im Sommer 1939 in Weiden­hausen gefeiert. Viele Besucher des Dorfes nahmen an diesen Veranstaltungen teil.
Während des Zweiten Weltkrieges war das Gemeindehaus längere Zeit als Lager für mili­tärische Ausrüstung beschlagnahmt. Die Gemeindeversammlungen waren in dieser Zeit bei Geschwister Müller (Christ's).
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Ge­meindehaus allmählich zu klein. Nachdem es 45 Jahre gute Dienste getan hatte, wurde es 1958 nach mancherlei Beratungen umgebaut. Es wurde ein massiver Anbau mit einem Saal von 10 x 12,7 Metern erstellt. Bei der Einwei­hungsfeier am      21. Dezember 1958 waren die Prediger Hans Flick, Gerhard Monning, Her­mann Schmidt, Oskar Achenbach und Samuel Stutz zugegen. Auch Prediger Hermann Schü­renberg d. Ä. war gebeten worden, noch ein­mal nach Weidenhausen zu kommen. Er hielt die Festansprache.
Am Tage der Einweihung waren nur noch wenige Schwestern und Brüder der Gründer­generation unserer Gemeinde zugegen. In den Jahren danach wurden weitere Geschwister der ersten Stunde heimgerufen.
Die Erinnerung an die Beschwernisse der Gemeinschaft in der Zeit ihrer Entstehung verblasste. Die dritte Generation wuchs heran.
Im Jahr 1951 zog Bruder Gustav Wetz mit seiner Familie aus Offenbach im Dillkreis nach Weidenhausen. Er fand bald das Vertrauen der Gemeinde und wurde im Jahr 1957 zum Ge­meindeältesten berufen. In der Kraft, die ihm der Herr schenkt, tut er bis heute den nicht immer leichten, aber doch wichtigen und se­gensreichen Dienst.
Mit den Stationen hatte die Gemeinde im Jahre 1970 140 Gemeindemitglieder. Im Jahre 1980 waren es 153. Hinzu kam eine größere Anzahl ständiger Freunde der Gemeinde.
 

Das heutige Gemeindezentrum

Zum Gottesdienst versammelten sich etwa 190 bis 220 Personen. Zur selben Zeit wurden zwei Sonntagschulgruppen in den mangelhaften Nebenräumen unterrichtet. Das ging auf die Dauer nicht ohne gegenseitige Störung ab.
Der Anbau aus dem Jahre 1958 reichte nicht mehr aus. Das Fachwerkhaus aus dem Jahre 1913 wies ständig größer werdende Mängel auf. Es musste neuer Raum für die Gemeinde geschaffen werden. Nach dem Bau eines Ge­meindesaales mit Predigerwohnhaus im Jahre 1967 in Erdhausen wurde immer wieder neu überlegt, wie der Gemeinde ausreichend Raum geschaffen werden konnte.
In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre wurde das Vorhaben aufgegeben, erneut auf dem Grundstück der Mühlstraße 32 anzubau­en. Die Gemeinde kaufte ein Grundstück in der Ortsmitte, das ungewöhnlich lange von einem Bankinstitut für sie bereitgehalten worden war.
Nach Abschluss der Planungen baute die Ge­meinde fast zwei Jahre an einem neuen Ge­meindezentrum. Dazu gehören heute zwei Sä­le, Nebenräume, ein Taufbecken und eine Hausmeisterwohnung. Das alte Gemeinde­haus in der Mühlstraße 32 wurde am 31. März 1981 an den Bund Freier evangelischer Ge­meinden — Inlandmission — verkauft. Es dient der Einlagerung und Riege der Missionszelte.
Die Gemeinde stellte am 8. März 1981 ihr neues Zentrum mit dem Wahlspruch „Wir pre­digen Christus" dankbar in Dienst. Die Einwei­hungsfeier fand am Ostersonntag 1981 statt.

 

Quelle 1882/1982 Freie Evangelische Gemeinden im südlichen Hessischen Hinterland